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Ausdruck vom 25.04.2024, 18:34 Uhr 

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Narizin: Raid Laponie 1996, Teil II

Raid Laponie 1996, Teil II
(Text von Martin Strubreiter, Photos von SLOTEN.)

ROLL OVER NECKERMANN

Die wahren Reiseanekdoten kommen dir entgegen, wenn du am Boden bleibst und in die Nacht stichst, auch am Tag

Strecke des zweiten Teils Die Tage wurden schöner, von der Farbe her, und die Nächte länger. Letzteres hing nicht ursächlich an uns, sondern an der Geographie. Ein altes Wikinger-Sprichwort nämlich sagt: "Tauchst du in den Norden rein, wird die Nacht viel länger sein.". (Ein anderes freilich lautet: "In der längsten aller Nächte/ kommt Enough-Drink in dein Hirn, der echte." Aber das wußten wir zu jenem Zeitpunkt noch nicht.)

Je weiter wir nordwärts fuhren, desto mehr war der Tag damit beschäftigt, das Licht aufs Neue zu erfinden: Die Sonne eiste sich nur widerwillig vom Horizont los, ließ sich den Bauch von den Baumwipfeln pinseln und ihr Licht zerspragelte am zufällig herumstehenden Gesträuch zu tausend Megapearls. Skandinavien ist im Winter hauptberuflich weiß und im Nebenberuf orange, Schneestangen werfen Schatten bis an den Horizont, und die wenigen Menschen sind stille Gäste der Natur. Wer es hier nicht versteht, behutsam in die Winterlandschaft einzudringen, wird im Zorn auf ewig scheiden und fortan Pizzen auf Sizilien backen.

Skandinavien ist im Winter hauptberuflich weiß und im Nebenberuf orange. Draußen fielen die Temperaturen, obwohl wir mittlerweile norwegischen Fjorden entlang mäanderten, und diesen sagt man ja gütige Wirkung auf das Klima nach. Das Thermometer jedoch sagte ungefähr: knappe 30 Grad unter Null, und die Fjorde sind mir wurscht. Und wir glaubten alles, schließlich hatten wir dieses Instrument zum offiziellen Raid-Thermometer ernannt, weil es immer die frischesten Temperaturen vermeldete.

Kritiker hingegen merkten an, daß ihre Thermomter ein Haucherl milder anzeigten, aber wir autoritätsgläubigen Raidteilnehmer brachten sie rasch zum Schweigen. Sie wollten am heroischen Beiwert unserer Reise knabbern, und dafür stellen wir uns schließlich nicht in den Norden, daß die Leute daheim dann meinen: "Ha, Ihr Lulus, nicht weniger als minus 27? Bei uns ist die Heizung ausgefallen, die Klospülung war eingefroren und der Vaillant-Heiland zwei Familienpackungen Tee lang ausgebucht."

Die Entenheizung hingegen funktionierte, und wenn man ein bisserl isoliert, also eigentlich alles rundherum, dann ist sie die beste der Welt. Die AKDY wurlte die Heizluft spielend auf 10 bis 20 Grad, freilich über Null.

Hier fehlt das Bild vom besten Auto von allen

Also suchten wir nach neuen Herausforderungen: Das Fischerheim in Narvik. Waren alle Unterkünfte bisher saubere, gemütliche Hütten oder Zimmer, in denen das virtuelle Kaminfeuer ständig knisterte und die Heimeligkeit ins Gekröse fahren ließ, so waren wir diesmal am Knickpunkt angelangt: Schäbige Einrichtung, muffige Luft, Sprengungen im benachbarten Steinbruch, mäßig keimfreie Sanitäreinrichtungen und exakt ein unbeheiztes Zimmer.

Ratet, wer es bekam.

Einige schliefen gern im Auto, aber dort war es noch kälter.

Dafür versöhnte das Frühstück mit brennstoffreichen Salaten, deren kleinster gemeinsamer Nenner die Mayonaise war, mit totem Fisch und allem, was man sonst noch gerne mitführt an Wintertagen.

*

In Narvik steht aber auch der meistfotografierte Wegweiser Skandinaviens. Er zeigt zwar in keine so lieblichen Orte wie St. Johann in Tirol (wie jener Wegweiser in Rovaniemi), enthält dafür aber eine hübsche Kollektion wichtiger Städte (Karasjok! Boris Gleb!!) mit Kilometerangaben, die durchaus zur Familie der Vierstelligen gehören. Näher war allerdings das Nordkapp, aber damit´s nicht zu einfach wird, legten wir noch ein paar Mäander in die Landschaft: Über Tromso nach Hetta in Finnland.

Das Foto hat keinen Fehler. Es handelt sich um den Dunst, der vom vergleichsweise warmen Wasser aufsteigt!

Unter nordischer Mimikry versteht man die Tatsache, daß Schiffe im Hafen sofort weiß anlaufen und praktisch nur mehr erahnt werden können
Die Straße nach Tromso hatte in jenen Tagen mehrere Nachteile: Elche. Man sagt ja, der Elch sei eines der dümmsten Tiere überhaupt. Er läßt sich ohne Fluchtversuch anfahren, nicht nur von Kleinwagen, die er mühelos erdrückt, sondern auch von Lastwagen. Meistens kommen alle Beteiligten dann ins Fernsehen.

Wir jedenfalls sahen Elche nur in der Ferne, sie gingen uns nicht über den Weg und auch nicht wirklich ab.

Tromso liegt zu gleichen Teilen im Norden wie am Meer, und in den Nachbarort Tromsdalen führt eine der imposantesten Brücken überhaupt. Einheimische verehren sie als Häuptling unter den Brücken Skandinaviens, sie spannt sich zwischen den Ufern wie ein Katzenbuckel, und nachts stechen die Laternen in den Himmel wie ein illuminiertes, gesträubtes Fell.

Die Stadt selbst ist nicht ohne Liebreiz mit ihrem verspielten Baustil entlang der Fußgängerzone, mit ihrem weißen Hafen, in dem ebenso weiße Schiffe anlegen, nur die beheizten Gehsteige schmelzen als dekadenter Ausrutscher ins touristische Weltbild. Besser als ein gebrochener Haxen sind sie aber allemal, warf der Tollpatsch in uns ein.

Unsere Campinghütten standen in Tromsdalen, waren geräumig und verfügten über ein erschreckend mitteleuropäisches Badezimmer. Normal führen uns die Skandinavier nämlich an die Wurzel der Naßzelle: Bauen wir die Dusche bevorzugt ins Bad, so baut der Nordländer sein Badezimmer in die Dusche: Der gesamte Boden hat die Form einer Brausetasse. Wäscht sich einer, so schwimmt der ganze Raum, worauf sich alle anderen brausen können. Das Tragen von Plateau-Schlapfen ist angebracht, Hüttenpatschen saufen ab und sich voll. Dennoch ist diese Gestaltung der Naßzelle von herbem Charme, weil sie uns an die Wurzeln des Planschens zurückführt.

Man verläßt sie im Nebel und stets innerlich rein und rund.

*

Mit ein bisserl Phantasie sieht man ihn sogar auf diesem Photo. Am nächsten Tag glitten wir von Norwegen wieder hinüber nach Finnland. Die norwegischen Berge, gerade noch in topographischer Hochform, verloren sich plötzlich an finnisches Flachland, baumlos, aber nur bei oberflächlicher Betrachtung zahnlos. Finnisches Flachland zeigt alle Farben des Schnees, abhängig vom Stand der Sonne, von der Laune der Dämmerung und von der Sanftheit der Bodenwellen. Die Sonne verglühte am Horizont in sattem Orange und hielt dabei einen rötlichen Finger in den Himmel.

Bis heute wissen wir nicht, welchen.

Wir nannten ihn jedenfalls Sonnenfinger, unter dieser Bezeichnung ragt er seither in unser Skandinavienbild, gleich neben dem Nordlicht und dem Schnee-Scooter.

Hetta also, und während die Enten einen Tag ruhten, übergaben uns die Veranstalter wieder die beliebten Schnee-Scooter. Diese Fahrzeuge sind ebenso höllisch schnell wie unlenkbar, was zu allerlei verkehrstechnischen Verstrickungen führte. Um geschmeidiges Abrollen zu trainieren, kippte der Hüttenbesitzer den Schlitten, auf dem er uns zum gefrorenen See zog, gleich in der Früh in den Schnee.

Die Königsdisziplin des Schnee-Scooter-Fahrens: Ein Bocksprung der Länge nach, sturzfrei, führt zu besten Haltungsnoten. Der Herr im Bild bestand, warf aber gleich darauf zwei Mitfahrer ab: beste Unterhaltungsnoten
Unwahr ist, daß die Österreicher das Ski-doo-Fahren erfunden hätten. Wahr ist vielmehr, daß wir die Finnen durch unseren Fahrstil zu erstaunen wußten, jedoch ständig an der Verfeinerung des selben arbeiteten. Helge, bereits vor zwei Jahren zu legendärem "Helge must not do it any more!"-Ruf gekommen, fuhr diesmal sehr unauffällig, geradezu elegant. Sloten hingegen zeigte sich beim Umfahren eines Baumes eher unschlüssig, schaffte es aber aus eigener Kraft, den Ski-doo auszugraben, nicht jedoch, den Baum wieder aufzurichten. Arne "Gebt mir Sprunghügel!" Komposch am Steuer warf zuerst Helga ab und dann mich. Als Seher der Kottan-Folge "Speedway" fielen wir elastisch und rollten verletzungsfrei ab. Gleich darauf hätten Arne und ich den Scooter beinahe in einem lasch gefrorenen Bach versenkt, mit uns drauf. Nach der Bergung zogen wir uns sicherheitshalber auf einen Hügel zurück, weil Bäche ja meistens doch drumherum fließen. Dort wurden wir auch von Henkka gestellt.

Irrtümlich hatten wir seinen privat gemieteten Ski-doo entführt.

Wir alle gingen früh schlafen.

(Fortsetzung folgt)

Martin

 
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Stand: 15.03.2013
Copyright: Hannes Hromadka

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