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Raid Laponie 1998 (Teil 3)

Das Reisen ist ein schlanker, kühler Fluß

Man darf nur nicht vergessen, sich innerlich warm anzuziehen. Eine Geschichte singender Sägen, glasklarer Tische und Drinks, für die das Nippen erfunden wurde

I.

Es ist ja nicht so, daß wir als elektroniklose Dumpfis unterwegs wären im nördlichen Norden. Wenn wir reisen, dann fassen wir Handys als Nabelschnur nach Hause, lesen die Temperatur von gediegenen Digitalthermometern, lassen uns den rechten Weg weisen von GPS-Navigationsgeräten und vergleichen alle abgelesenen Werte flugs über CB-Funk, wenn nötig, dann auch minütlich. Es ist aber nicht so, daß diese Gerätschaften gleichmäßig in alle Autos gesickert wären. Es gibt vielmehr, sagen wir, gewisse Epizentren des hochtechnologisierten Raidfahrens, oder, etwas präziser: Es existiert eine hellblaue Acadiane, deren Fahrer mit präsidialer Würde den Innenraum mit Thermometern behängt, mit Höhen- und Breitengraden zu jonglieren weiß, daß sogar die Satelliten des Pentagon ein bißl neidisch werden. Auch vermag er seine vielen Handtelefone strategisch günstig in verschiedenen Ländern anzumelden, worauf ihm Gespräche je nach Dauer und Häufigkeit zum günstigsten Tarif ans Ohr gesendet werden können.

Damit sind wir mittlerweile in der Lage, statt der etwas verstaubten Frage nach dem Benzinpreis im soeben bereisten Ausland den äußerst facettenreichen Umstand zu erörtern, welches Loch eine Telefonminute zu welcher Uhrzeit in Abhängigkeit von Telefongesellschaft und Windrichtung ins Reisebudget frißt.

So sah unsere Welt aus, wenn wir fuhrenIch sollte vielleicht hier gestehen, daß ich nicht als Freund des Handys gelte. Manchmal rechne ich es sogar, gemeinsam mit dem Windschott neumodischer Cabrios, zu den nutzlosesten Gegenständen dieser Welt, aber zum Glück findet sich bei jeder Raid ein Mitreisender, der ähnliche Meinungen hegt: Karsten aus yyyyyyyyy beherrscht das Handy-Lästern wirklich ausgezeichnet, und deshalb war es überhaupt nicht nett von ihm, mich wenig später beim Handyphonieren hinter der Badezimmertüre zu erwischen. Erst nachdem ich ihn zwei Tage später beim Telefonieren unter der Bettdecke entlarvt hatte, hing mein Weltbild wieder gerade.

So viel zu den Segnungen der Technik, denen im Rest der Berichtes Nullerwähnung zuteil werden soll.

II.

Der Norden Finnlands gleicht im Ambiente dem guten Freddie-Keks: Einsam und karg, aber von hinreißendem Charme, wenn man sich behutsam nähert. Der Bevölkerung bleibt nur trockene Abwechslung, was man alleine an der frischen Begeisterung sieht, mit der lokale Zeitungen und Fernsehstationen ihre Mikros und Kameras auf den Raid-Laponie-Konvoi richten. Wir stammeln dann regelmäßig in broken English Details unseres Huschers herunter und hoffen, daß der Reporter von einer Zeitung kommt und nicht vom Radio. Die besten Chancen auf breiten Raum in den Medien hat, wer seine Ente in den Schnee geschmissen hat, wir wollen da aber nichts näher auswalzen.

Bevorzugte Motive der Kameramänner und Fotografen sind freilich offene Motorhauben, wovon es morgens immer ein paar gibt. Auch Campingkocher unter der Ölwanne werden gerne abgelichtet, und manchmal entzünden wir auch Gelsenkerzen unter dem Motor. Das hilft zwar nix, freut aber die Reporter besonders, erhöht unsere Chancen, abends im Fernsehen aufzutreten, und Gelsenlichter gibt‘s in Lappland sowieso genug.

III.

Hetta ist ein guter Ort zum Verweilen, es liegt am schüchternen Nordost-Zipfel Finnlands und überzeugt bei unserer Ankunft durch milde -28°C. Auch gehört es zu den größten Orten einer an kleinen Orten reichen Gegend und führt als Erkennungszeichen eines wichtigen Ortes ein Kaufhaus, ein Postamt (in dem posteigene Lesebrillen aufliegen, um die Fehlerquote auf Erlagscheinen zu senken), ein Lappland-Museum (mit der grünsten Limonade ever am Buffet) sowie eine feine Sammlung von singenden Sägen. Die singen aber nicht alleine, sondern nur unter heftigem Mitwirken eines einheimischen Pensionisten, den zu besuchen ein ebenso unverzichtbares wie masochistisches Ritual darstellt. Ohne ihn wäre eine Raid Laponie ebenso unvollständig wie undenkbar, da sind sich alle einig: Er heißt xxxxx xxxxxxx, weniger repektvolle Einheimische nennen ihm „big lier", womit keinesfalls seine Körpergröße gemeint ist. Man betritt geballt seine Werkstatt, genießt das gespielte Erstaunen des Besuchten, das gehört so, das muß so sein, bevor er mit routiniertem Blick die Flasche hochprozentigen Inhalts auszumachen trachtet, die einer der Eindringlinge mit künstlicher Inbrunst verbirgt.

xxxxx spielt auf seiner Säge bekanntes Liedgut, das zu identifizieren nur anhand des Titels gelingt, läßt sich frische Länder einfallen, die um Auftritte betteln, und beendet sein Ritual erst, wenn auch der letzte Gast in die Flucht gesägt wurde.

Wir sitzen dann immer im Hotel beisammen, nippen an Milchgläsern und sagen, ja, es war ein schöner Abend, und wir wollen ihn nicht missen.

IV.

Ihr dürft jetzt nicht glauben, daß wir heuer nicht fähig gewesen wären, Schneeskooter feinnervig im Eis zu versenken oder treffsicher gegen junge Bäume zu lenken, aber so sehr wir uns auch anstrengten: Es gelang nicht. Es gelang nämlich nicht einmal, damit zu fahren, weil die Temperatur durchgängig einen Wert annahm, der freistehende Gesichtspartien bei 60 km/h sofort abgeräumt hätte wie der Sommerwind die faule Marille vom Baum. Daher: Keine Heldensagen vom Lenken uns fremder Transportmittel, sorry, aber mental trainieren wir schon wieder für die Raid des Jahres 2000.

Bald finden wir auch eine neue Beschäftigung – das Eisschloß im Ort, das gerade einer Eisruine gleicht: Lauwarme +6°C haben das Gebäude vor Weihnachten ramponiert, der überlebende Rest ist einen halben Meter in den Boden gesunken, worauf eine schlagartig hereinbrechende Kältewelle den Wiederaufbau verhinderte: Bei -35°C pappt Schnee eher widerwillig, um nicht zu sagen, gar nicht.

Die Renovierung lohnt aber auch im Februar, weil die Saison für Eisschlösser erst Anfang Mai endet. Nur um die Eckdaten abzustecken: Im April pendelt das Thermometer zwischen -25°C und lauschigen +10°C, erst im Juni taut der See auf, um im November wieder zu frieren. Dazwischen verdunkeln Mücken die Gegend, und wir ahnen jetzt, warum Alkohol in Finnland eher nach Prozenten gekauft wird denn nach Geschmack.

Intakt sind im Eisschloß die Gästezimmer mit Wasserbetten (gefroren), eine Schwimmhalle (die Eisdecke im Bassin wird bei Bedarf aufgesägt), eine Toilette aus Eis (aus farblichen Gründen nur zum Anschauen), ein Restaurant mit Tischen aus massiven, transparenten Eisblöcken. Nur knapp kann ich davon abgehalten werden, mein heißes Teesackerl in den Tisch einzuschmelzen.

V.

Ein Superfinn ZeltUnaufhaltsam driftet der Höhepunkt der Raid näher, die Superfinn-Party. Wer vor zwei Jahren dabei war und sich an die Feier nimmer erinnern kann, hat heuer Angst davor. Die Verleihung des Superfinn-Titels will nämlich mit einem Getränk begossen werden, das nicht ganz zufällig der schlanke Name „Enoughdrink" ziert. Gemischt wird er von Henkka aus jenen alkoholischen Ingredienzien, die die Teilnehmer ausschreibungsgemäß („a little of the most terrible tasting spirit...“) von daheim mitgebracht haben, wobei er die Mischung nicht leichtfertig vornimmt, sondern sich der Vollendung des Getränks durch selbstloses Kosten annähert. Für den passenden Trinkspruch ist dann Jukka zuständig, beispielsweise: „Now we‘ll try to drink this with a calm expression on our faces!“

Ich trank exakt einen Schluck. Das Gefühl glich einer Brandrodung die Speiseröhre hinab, wobei sich ein Nachgeschmack nach Gewürzregal hartnäckig hielt. Mit dieser Brisanz war nicht zu rechnen. Vor zwei Jahren, beispielsweise, glaubte ich am Enoughdrink den zarten Geschmack von Tannenwipfeln im Abgang zu erkennen, was mich locker durch den Abend brachte.

Diesmal kam mir das Durcheinander an Gläsern und Trinkenden zu Hilfe. Irrtümlich trank ich zwar einen Schluck aus Karstens Glas, der erklärte aber irrtümlich Ingo, mein Glas wäre seines, worauf dieser sorgfältig meines leerte. Mühelos aber gelang es mir, Ingos Glas nicht zu finden, was mir irgendwie über den Abend half.

Auch überlegten wir, wozu dieses Getränk noch zu gebrauchen wäre. Zum Pinselauswaschen, darüber sind sich alle einig, vielleicht auch zur Starthilfe, indem man es morgens in den Luftfilter prustet.

So endete die Raid Laponie 1998.

Traurig schwenkten wir südwärts, gewannen auf allen Vieren die Südküste und watschelten geduckt an Bord der Fähre. Nicht eine Socke war anonym auf Deck weggelegt worden. Der Kapitän hielt viele Reden (es dürfte sich dabei um eine Art Aperetiv für ihn selbst handeln), aß aber weder Mumin-Kekse, noch extrahierte er den Saft der Bohne durch Kaffefilter der Marke „Bruno". Es gab für uns nichts zu entdecken, also nahmen wir mit einer Vehemenz nahe des gut bestückten Buffets Platz, die beinahe Hemingway-Qualitäten erreichte.

10.000 Kalorien pro Person, schätzungsweise.

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